Ein Theaterabend von und über Else Lasker-Schüler
Kunst ist Reden mit G"tt
Ein Besuch Else Lasker-Schülers im Hier und Jetzt. Im Gepäck hat sie einige ihrer Gedichte und ihr neuestes Theaterstück: „Ich und Ich“
P.S. die unabhängige linke Zürcher Zeitung am 3.2.2023 :
Yael Schüler gelingt es kongenial, das Expressionistische in Else Lasker-Schülers Werk zu verkörpern.
Zwar schlurft sie zunächst bücklings und sich entschuldigend über die Bühne, aber aus den Augen blitzt die Gier nach Leben und der Mund formuliert messerscharfe Sätze. Die Klage ist ihre Sache nicht. Die Anklage indes sehr wohl, das Engagement, die Durchsetzung. Sie reist durch halb Europa, um Freunde aus den Nazigefängnissen zu holen, obschon ihr eigener Status mehr als bloss prekär ist. Wird sie von Freunden enttäuscht, so scheint es, spornt sie dies nurmehr dazu an, der ihr innewohnenden Dringlichkeit eine noch grössere Bedeutung beizumessen. Eine Kerze, die an beiden Enden zu brennen scheint. Die für die eigene Schieflage in einem rechtsnationalen Europa als Jüdin, kritische Denkerin und Erneuerin der Poesie eine tänzerisch-körperliche Entsprechung einnehmen kann, die geradezu fragil bis halsbrecherisch erscheint und dabei ihren unbändigen Willen, ihre Stärke erst recht betont. "Kunst ist Reden mit G"tt/Else Lasker-Schüler" ist ein ausdrucksstarkes Solo, in das Yael Schüler (Choreographie Muriel Bader) eher beiläufig chronologische Eckwerte flicht, zur Hauptsache aber die Sprache der Dichterin in den Mittelpunkt stellt. Eine Sprache, deren Trefflichkeit im Wünschen wie im Wettern, wie im Gegen das den Verstand und den Mut verlieren, phantastische Reisen unternimmt. Eine Unterhaltung mit einer Vogelscheuche, gebildet und eloquent, aus dem Stück "Ich und Ich", fügt dieser poetischen Sternstunde einen Höhepunkt hinzu. Sie selbst stellt sich in diesem philosophischen Gespräch als wissbegierig, aber halt unwissende Person dar. Inwieweit diese Koketterie die Person Else Lasker-Schüler als zu erlebender Mitmensch angenehm erscheinen liess, wir an anderer Stelle mit "eher schwierig" eingeordnet.
Übers Ganze beschämt einen die hier verkörperte lebenslange Chuzpe schon beinahe. Wir ziehen in demütiger Bewunderung hochachtungsvoll den Hut.
Schauspiel/Tanz/Dramaturgie:
Yael Schüler
Choreographie/Regie:
Muriel Bader